29. September 2020: Eine ganze Reihe von wichtigen historischen Jubiläen droht in diesem in allen politischen, gesellschaftlichen und vielen anderen Bereichen hektischem und krisengeschütteltem Jahr unterzugehen. Oft sind diese historischen Ereignisse oder Epochen jedoch noch heute ausschlaggebend oder zumindest beeinflussend für nationale wie internationale Geschehnisse der Gegenwart oder umgekehrt, sind die Krisen von heute oft noch die Folgen der jüngeren deutschen und europäischen Geschichte.
Vor 150 Jahren fand der Deutsch-Französische Krieg, oder besser der Krieg zwischen der Französischen Republik und dem Norddeutschen Bund mit seinen süddeutschen Verbündeten statt. Aus diesem Krieg ging 1871 das Deutsche Reich hervor, wesentlich orchestriert durch den damaligen preussischen Ministerpräsident und Kanzler des Norddeutschen Bundes Otto von Bismarck. Auch unser Verein führt seine traditionellen Wurzeln auf diese Zeit zurück. Im Jahr 1873 wurde der Krieger- und Veteranenverein Eglofs gegründet, im Wesentlichen zur Unterstützung der Kriegsopfer und -versehrten und deren Familien.
Vor rund 100 Jahren endete dieses Reich und die Zeit monarchistischer Regierung in Deutschland im 1. Weltkrieg. Rund 13 Millionen Tote verzeichnete die Welt nach diesem Krieg. 56 Soldaten aus Eglofs kehrten nicht wieder nach Hause zurück, sahen ihre Familien und ihre Allgäuer Bergen nicht wieder.
Vor 75 Jahren endete der wohl brutalste Krieg aller Zeiten, der 2. Weltkrieg. Mit rund 65 Millionen Toten eine unglaubliche menschengemachte Tragödie und Katastrophe. Das deutsche Volk hat sich mit diesem Krieg ein unrühmliches Vermächtnis in der Weltgeschichte geschaffen. 118 Eglofser Soldaten gehörten zu den Gefallenen dieses Krieges.
Anders als im Versailler Vertrag von 1919 begegneten die Sieger des 2. Weltkriegs, allen voran die USA, dem niedergeworfenen deutschen Volk zumeist mit unterstützenden Maßnahmen für den Wiederaufbau des Landes. Leider wurde das deutsche Volk in den 1960er Jahren in eine West- und eine Ostdeutsche Sphäre getrennt. Westdeutschland entwickelte sich dabei zu einem modernen demokratischen Rechtsstaat, während sich Ostdeutschland unter sowjetischem Einfluss zu einer Pseudo-Demokratie entwickelte. Vor 30 Jahren, erneut ein wichtiges Jubiläum, wurde diese Teilung dann aber beendet und ein neuer gesamtdeutscher demokratischer Staat mit voller Souveränität entstand.
Auf 75 Jahre Frieden in Deutschland und 30 Jahre deutsche Einheit können wir also in diesem Jahr zurückblicken. Auch wenn Corona das Feiern im üblichen Stil erschwert bzw. verhindert, sollten wir diese Jubiläen nicht einfach übergehen und uns durch die unschönen tagespolitischen Themen von den historischen Lehren und Errungenschaften ablenken lassen. Die kritische Befassung mit unserer Geschichte hilft uns, die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten – wir sollten sie deshalb nicht vernachlässigen, trotz und gerade wegen der vielen aktuellen Krisen auf dieser Welt.
Was geht uns das als Krieger- und Reservistenkameradschaft an, mag der geneigte Leser an dieser Stelle fragen? Sehr viel, wie der Verfasser meint: Die Gründung unseres Vereins habe ich schon erwähnt und auch die vielen Gefallenen aus der Gemeinde Eglofs, deren wir als KRK Eglofs jedes Jahr am Volkstrauertag gedenken. Aber auch unsere Reservisten sind Teil unserer jüngeren Geschichte, haben sie doch durch ihren Dienst in der Bundeswehr ihren persönlichen Betrag zu einer friedlichen Entwicklung unseres Landes in den letzten 75 Jahren beigetragen. Unser alter Kamerad Anton Bischofberger ist kürzlich im Alter von 95 Jahren verstorben. Er war einer der letzten Zeitzeugen in unserem Verein, der den 2. Weltkrieg als Soldat erlebt und überlebt hat. Und insgesamt wäre unsere heutige Gesellschaft ohne die jüngere deutsche Vergangenheit nicht das, was sie heute ist. Ob sie besser wäre ohne unsere z.T. unrühmliche Geschichte oder schlechter kann wohl niemand sagen. Aber was wir sind und was wir ggf. noch werden, kann auch auf historische Entwicklungen zurückgeführt werden, deshalb sollten wir unsere (Eglofser) Geschichte nicht aus den Augen verlieren. Denn Tradition und Fortschritt schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich.
Richard Offinger, 1. Vorsitzender Krieger- und Reservisitenkameradschaft Eglofs e.V.