Ansprache des 1. Vorsitzenden der KRK Eglofs anlässlich des Volkstrauertags 2020

Meine Damen und Herren, liebe Kameraden

Der Volkstrauertag ist kein Feiertag, sondern ein Gedenktag, ein Tag also, an dem die Menschen innehalten, sich vom Stress des Alltags befreien und so ihre Gedanken auf die Zeiten vergangener Krisen, Katastrophen und die damit verbundenen Opfer lenken sollten. Das ist aber gar nicht so leicht inmitten einer – oder sollte man besser sagen – einer Reihe von aktuellen Krisen, die uns derzeit täglich beschäftigen und umtreiben und dazu auch noch die Partylaune verderben. 

Die Corona-Pandemie zwingt viele Menschen in eine Situation, in der es ihnen schwer fällt, den Alltag, die Sorgen um die Gesundheit, den Arbeitsplatz, den Betrieb abzulegen. Dazu die angespannte politische Weltlage, die wichtiger erscheint, als ein Rückblick auf schlechte Zeiten. Wir haben selber genug Probleme, als dass wir uns auch noch mit der – zumal meist schlechten – Vergangenheit beschäftigen müssten, mag so manch eine Zeitgenossin oder Zeitgenosse denken. 

Aber; vieles von dem, was wir heute erleben, hat seinen Ursprung in der Vergangenheit. Deshalb dürfen wir uns dem Gedenken an die Vergangenheit auch in schwierigen Zeiten nicht verschließen. Denn sonst verschließen wir uns auch die Möglichkeit, aus der Vergangenheit zu lernen.

Traditionell nimmt sich die Krieger- und Reservistenkameradschaft am heutigen Tag der Erinnerung an die Opfer der beiden Weltkriege an. Ich möchte aber heuer an einen weiteren Krieg erinnern, der vor genau 150 Jahren stattfand, nämlich den französisch-deutschen Krieg 1870/71. Die Königreiche Bayern und Württemberg, also auch dieser Landstrich hier um Eglofs, waren damals in diesen Krieg involviert, der mehr als 300.000 Gefallene hinterließ und dazu viele Kriegsversehrte und schwer belastete Familien. Unser Verein wird in drei Jahren sein 150. Gründungsjubiläum feiern, das auf diesen Krieg und den anschließend ins Leben gerufenen Krieger- und Veteranenverein von 1873 zurückgeht. 

Vor 75 Jahren endete der 2. Weltkrieg. Zwischen diesen ersten 75 Jahren liegen über 80 Millionen Kriegsopfer. Dazu noch die mehr als 30 Millionen Opfer der Spanischen Grippe, einer fürchterlichen Pandemie, die zum Ende des 1. Weltkriegs ihren Verlauf nahm. 

Dagegen stehen in den darauf folgenden 75 Jahren Frieden in Freiheit in West-Europa, zumindest Abwesenheit von Krieg. Nach 75 Jahren gewaltiger menschlicher Opfer war es endlich gelungen, in friedlicher Koexistenz oder sogar in internationaler Freundschaft zusammenzukommen und seine Interessen und Anliegen im friedlichen Dialog auszutragen und auszutauschen. Die Vereinten Nationen gewannen zunächst an Einfluss, die NATO sorgte für politisch-militärische Sicherheit, die EU entwickelte sich zum nunmehr größten wirtschaftlichen Binnenmarkt der Welt, die OSZE arbeitet am Frieden in Europa und viele andere staatliche oder auch nicht-staatliche Organisationen haben sich dem friedlichen Miteinander verschworen. Jedem von uns kommen diese Errungenschaften heute zugute und verbessern unseren Wohlstand.

Doch Frieden und Wohlstand in Deutschland, Europa und der Welt bröckeln!

Die meisten Menschen in unserem Land, in Europa und im Rest der Welt kennen die Grausamkeiten eines Weltkriegs nicht mehr aus eigener Erfahrung. Wer verbindet den 11.11. schon mit dem Tag des Waffenstillstands im 1. Weltkrieg vor nunmehr 102 Jahren? Viel weniger Menschen sicherlich als diejenigen, die hinter diesem Datum den Beginn der Fasnacht oder des Karnevals sehen. 

Wir selbst haben mit unserem Kameraden Anton Bischofberger heuer einen der letzten Soldaten im 2. Weltkrieg aus unserer Dorfgemeinschaft verloren und mit ihm einen wichtigen Zeitzeugen unserer Vergangenheit. Wohlstand für alle ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit in unserem Land. Aber – wir verspielen zunehmend die Errungenschaften der Nachkriegszeit, anstatt sie zu schätzen und zu pflegen. Nationalisten, Extremisten, Anarchisten und Terroristen beherrschen zunehmend das Zeitgeschehen. Unsere Sicherheitskräfte werden zunehmend denunziert oder gar ignoriert. Nicht umsonst warnte der Bundespräsident am vergangenen Donnerstag anlässlich des 65. Jahrestags des Bestehens der Bundeswehr davor, diese Organisation und ihre Soldaten aus den Augen und aus dem Sinn zu verlieren.

Und was hat das alles mit dem Volkstrauertag zu tun? – werden Sie vielleicht jetzt fragen?

Hinter diesen in Stein gemeißelten Namen stehen die direkten Opfer einer fatalen, menschenverachtenden Politik, gefallen auf den Schlachtfeldern Europas oder in anderen Teilen der Welt. Nicht auf diesen Steinen stehen die vielen anderen Opfer, die im Zuge der Weltkriege ebenfalls zu beklagen sind. Die Ermordeten, die Ausgebombten, die Kriegswitwen und -waisen, die um ihre Jugend Betrogenen usw. 

Wir ehren diese Menschen nur dann, wenn wir ihrem Tod einen Sinn geben. Und der Sinn liegt darin, dass wir aus ihren Opfern lernen und uns vorstellen, was sie uns heute sagen würden: „Macht es uns nicht nach, lernt aus unserer Geschichte und unseren Fehlern und macht es in eurer Gegenwart und Zukunft besser. Seid wachsam und lasst euch nicht von falschen Versprechungen verführen. Seht euch die politischen Führungskräfte genau an, die ihr wählt. Seid kritisch – seid klug!“

Wenn wir diesen Brückenschlag über diese letzten 150 Jahre deutscher und Weltgeschichte heute mitnehmen und vielleicht auch noch mit anderen Menschen, die heute nicht hier sein konnten oder wollten, teilen würden, wäre diese Veranstaltung schon ein Erfolg. Ein Erfolg auch für die hier verewigten 174 in den beiden Weltkriegen gefallenen Eglofser Bürger. Wir leben heute im besten Deutschland, das es jemals gab und die vielen Opfer aus den Kriegen der letzten 15 Jahrzehnte haben dazu beigetragen, dass es uns heute so gut geht – weil wir in Anbetracht dieser Opfer verstanden haben, wie schlecht es gehen kann. Bleibt zu hoffen, dass wir die schlechte Vergangenheit nicht noch einmal wiederholen.  

Diesen und allen Opfern der Kriege wollen wir nun gedenken mit einer Kranzniederlegung. Leider in diesem Jahr ohne die traditionelle Melodie „Ich hat‘ einen Kameraden“ und auch ohne Böllerschüsse.